Freitag, 23. September 2022

Behördenkriminalität im Fall "Alexander Dorin"


Ich bedanke mich bei Herrn Dorin, dass ich das Vorwort für diese Dokumentation zum Fall verfassen darf. Ich begleite Herrn Dorin seit Februar 2019 in seiner Odyssee mit der baselstädtischen Justiz und kann deshalb aus anwaltlicher Sicht eine kurze Einschätzung der bisherigen Vorkommnisse und groben Rechtsverstössen abgeben. Bedauerlicherweise sind einige Rechtsverstösse heute nicht mehr justiziabel, da Rechtsmittelfristen von dem damaligen Verteidiger von Herrn Dorin nicht genutzt wurden. Herr Dorin wurde im Jahre 2015 gestützt auf einen konstruierten und mutmasslich politisch motivierten Vorwurf des Drogenhandels (Hanf) mit einem Sondereinsatzkommando mit brachialer Gewalt medienwirksam verhaftet. Die Verhaftung von Herrn Dorin wurde neben dieser staatlichen Gewaltdemonstration auch mittels einer Pressemitteilung komplettiert, bei der die Verhaftung und der Name Dorin der Öffentlichkeit bekannt gegeben wurde. Dies in Verbindung der Tatsache, dass die journalistischen Tätigkeiten von Herrn Dorin dem Mainstream zuwiderlaufen, lassen in der Tat den Eindruck entstehen, dass es bei der Verhaftung bzw. dem Strafverfahren um etwas ganz anderes gegangen ist, als der angebliche Vorwurf des Drogenhandels. Bei der Verhaftung von Herrn Dorin wurde Herrn Dorin eine Schnellfeuerwaffe an den Kopf gehalten, während Herr Dorin bereits mit Handfesseln am Boden liegend verhaftet war. Aus meiner Sicht war dies ein unnötiges und bedrohliches Gebaren der Polizei, welches gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verstösst. Diese Situation alleine könnte bereits ein Verstoss gegen Art. 3 EMRK in seiner Ausprägung als Schutz vor einer »unmenschlichen Behandlung« sein, da diese Situation (Todes-)Angst hervorgerufen hatte und es hierfür bei einem unbewaffneten und gefesselten Herrn Dorin gar keinen objektiven Grund gab. Im Anschluss hieran wurde Herr Dorin in das Untersuchungsgefängnis Waaghof verbracht, wo Herr Dorin fast vier Monate seines Lebens verbringen musste, davon rund die Hälfte in Einzelhaft. Einzelhaft bedeutet 23 Stunden in einer Zelle, ohne soziale Kontakte. Wenn Herr Dorin aus der Einzelhaft zu einem anderen Häftling verlegt wurde, dann waren das Schwerkriminelle und Psychopathen, was ebenfalls eine erhebliche psychische Belastung für Herrn Dorin war. So randalierte ein Mithäftling in der Zelle. Die übrigen Haftbedingungen waren katastrophal und eines Rechtsstaates unwürdig. So musste sich Herr Dorin bei Mitgefangenen um Unterwäsche kümmern und die Kleidung selbst im Waschbecken in der Zelle von Hand waschen. Die Belüftung des Gefängnisses im Hochsommer 2015 war ebenfalls bestenfalls unzureichend, so dass in den Zellen enorm hohe Temperaturen erreicht wurden. Dieses Problem mit der Belüftung ist auch in der Basler Presse thematisiert worden, was zeigt, dass dieser Zustand den Behörden bekannt ist. Eine Abhilfe wurde nicht geschaffen. Die Fenster waren mit Folie verklebt, so dass ein Blick nach draussen unmöglich war. Und auch hier ist erneut aus dem Blickwinkel der Menschenrechte erneut zu überlegen, ob hier ein weiterer Verstoss gegen Art. 3 EMRK in seiner Ausprägung als Anspruch auf Schutz vor einer »unmenschlichen Behandlung«, wenn nicht sogar »Folter« in Betracht kommen kann. Die Inhaftierung von 23 Stunden ohne nennenswerte soziale Kontakte innerhalb von 14 Tagen ist seitens des Folterausschusses der UN als Folter qualifiziert worden. Des Weiteren sind die Haftbedingungen mit überhitzten Zellen und ohne Versorgung mit Gefängniskleidung den Behörden anzulasten und stellen auf jeden Fall einen Verstoss gegen Art. 3 EMRK im Sinne einer »unmenschlichen Behandlung« aufgrund desolater Haftbedingungen dar. Solche Fälle werden normalerweise in Bezug auf postsowjetische Staaten seitens des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Strassburg behandelt, aber nicht in Bezug auf westeuropäische Staaten, wobei das schweizerische Bundesgericht kürzlich den Kanton Genf wegen den Haftbedingungen im Gefängnis Champ-Dollon verurteilte. Diese Haftbedingungen sind in der Schweiz weit verbreitet und spiegeln die Einstellung eines Staates gegenüber den Beschuldigten eines Strafverfahrens wider. Es kann an dieser Stelle nicht oft genug betont werden, dass bei einer Untersuchungshaft es keine Verurteilung oder dergleichen gibt und der Inhaftierte wegen der Unschuldsvermutung als unschuldig zu gelten hat. Während der fast viermonatigen Untersuchungshaft war gemäss Art. 130 lit. a der schweizerischen Strafprozessordnung, also die »Spielregeln« wie ein Strafverfahren zu führen ist, die Staatsanwaltschaft gegenüber Herrn Dorin verpflichtet, eine »notwendige Verteidigung« zu gewährleisten. Wie das Wort »notwendig« hervorhebt, ist eine Verteidigung in solch einer Situation von Gesetzes wegen sicher zu stellen. Leider kann Herr Dorin nicht bestätigen, dass dies während seiner Untersuchungshaft seitens seines damaligen Verteidigers auch so praktiziert wurde. Der Verteidiger nahm in den vier Monaten bei fast keiner Befragung von Herrn Dorin teil, wobei die Staatsanwaltschaft in der schriftlich belegbaren und aktenkundigen Kommunikation die Teilnahme an den Einvernahmen dem Verteidiger in sein Ermessen stellte. Wenn der Verteidiger mal an einer Einvernahme teilnahm, dann war das nur für ca. 15 Minuten und der Verteidiger verabschiedete sich während der laufenden Einvernahme. Aus anwaltlicher Sicht, wenn man seine Tätigkeit als Strafverteidiger ernst nimmt, ein Unding, wenn die Staatsanwaltschaft sehr wohl im Wissen um die Tatsache einer notwendigen Verteidigung war und ist. Eine notwendige Verteidigung ist ad absurdum, wenn der Verteidiger zwar auf dem Papier eingesetzt ist, aber sonst nur durch Abwesenheit glänzt. Da braucht es denklogisch auch keines Verteidigers, wenn der Beschuldigte bei den entscheidenden Befragungen usw. letzten Endes auf sich selbst gestellt ist. Auch machte der Verteidiger keinerlei Anstalten, gegen die Anordnungen der Untersuchungshaft Rechtsmittel zu ergreifen. Kurzum, die Verteidigung von Herrn Dorin war während der gesamten Untersuchungshaft trotz dem gesetzlich vorgeschriebenen notwendigen Verteidigung, ich formuliere es mal vorsichtig, als bestenfalls unzureichend zu bezeichnen. Aus meiner Sicht ist dies auch ein krasser Fall von Schlechtverteidigung seitens des früheren Verteidigers. Aber auch der neue «notwendige Verteidiger» betreibt dieses Gebaren fort und amtet im Strafverfahren gegen Herrn Dorin ohne dessen Einverständnis, oder gar einer ihm erteilten Vollmacht. Es kann also ohne Weiteres gesagt werden, dass es sich bei dem Verteidiger um den Verteidiger des Gerichts handelt, der während der Gerichtsverhandlungen zwar vorgibt, Herrn Dorin zu verteidigen, aber dessen Aufgabe wohl eher darin besteht, eine Verurteilungsbegleitung zu sein. Wenn der frühere Verteidiger Herrn Dorin in der Haft einmal besuchen kam, dann war das alle 1-2 Wochen für ca. 20 Minuten. Auch sonstige Besuche waren so gut wie keine möglich und wenn dann nur mit einer Trennwand. Wenn Herrn Dorin der tägliche Hofgang von einer Stunde zustand, fanden zufälligerweise oft Einvernahmen statt, so dass der Hofgang gänzlich ausfiel oder nach ein paar Minuten bereits wieder abgebrochen wurden. Die Frage, weshalb die Verteidiger solch eine schlechte Arbeit verrichten, kann ich nicht beantworten. Allerdings kann ich als Anwalt aus eigener Erfahrung berichten, dass Rechtsanwälte, die nicht im Sinne der staatlichen Behörden dem Anwaltsberuf ausüben, oft Behinderungen und Schikanen zu gewärtigen haben. Dies geht soweit, dass seitens der Behörden gezielt gemobbt wird, indem der Ruf und die Arbeiten des Rechtsanwalts systematisch untergraben werden, sowie auch die Gewährung von Prozesskostenhilfe konsequent verweigert wird, um solche Rechtsanwälte von der Verteidigung von Beschuldigten fern zu halten. Insbesondere bekommen solche Rechtsanwälte, die die Interessen ihrer Klienten mit Nachdruck gegenüber den Behörden vertreten, eben keine Verteidigungen zugewiesen, im Gegensatz zum Rechtsanwalt Simon Berger im Fall Dorin, der von der Staatsanwaltschaft ausgesucht wurde. Obschon in Art. 16 der Basic Principles on the Role of Lawyers der UN bestimmt, dass Rechtsanwälte bei der Berufsausübung weder behindert, bedroht oder eingeschüchtert werden dürfen, wird dies von den schweizerischen Justizbehörden regelmässig hintertrieben. Anzumerken ist hierbei auch, dass entgegen internationalem Standard die Zulassung zur berufsmässigen Vertretung von Beschuldigten und Parteien vor Gericht über eine Eintragung im Anwaltsregister in der Schweiz erfolgt. Dieses Anwaltsregister ist aber nicht wie in anderen Staaten üblich bei einer vom Staat unabhängigen Anwaltskammer, sondern bei den jeweiligen Obergerichten der Kantone ansässig, wo auch die Disziplinarbehörde domiziliert ist. Es entscheidet also am Ende der Staat, welcher Rechtsanwalt genehm ist und seinen Anwaltsberuf ausüben kann. Wer nicht genehm ist, wird oft gemobbt. Ich kann mir gut vorstellen, dass auch im Kanton Basel-Stadt die Angst vor solchen staatlichen Repressalien bei Anwälten abschreckend wirken. Dass solch ein Anwaltsrecht der Unabhängigkeit des Anwaltsberufes eher hinderlich ist, braucht nicht vertieft zu werden. Allerdings ist dies nicht als Entschuldigung für das Auftreten des früheren Verteidigers zu verstehen. Wenn ein Rechtsanwalt nicht bereit ist, einen heiklen Fall zu übernehmen, dann ist das Mandat abzulehnen. Wenn ein solches Mandat angenommen wird, dann ist eine ordnungsgemässe Verteidigung sicher zu stellen, wie es auch Punkt 4.1 der CCBE Berufsregeln mit dem Worten »Im Rahmen der dem Richteramt gebührenden Achtung und Höflichkeit hat der Rechtsanwalt die Interessen seines Mandanten gewissenhaft und furchtlos, ungeachtet eigener Interessen und/oder ihm oder anderen Personen entstehenden Folgen zu vertreten« bestimmt. 

Die Folgen für Herrn Dorin aus den Versäumnissen und Fehlern während der Untersuchungshaft, sind derzeit bei der schweizerischen Justiz nicht abzuschätzen. Nach der eigenen Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichts sind Geständnisse nicht verwertbar, wenn die Geständnisse ohne Verteidiger abgelegt wurden, obschon eine notwendige Verteidigung hätte anwesend sein müssen. Allerdings kann ich auch zu diesem Punkt aus eigener Erfahrung bestätigen, dass schweizerische Gesetze und die eigene Rechtsprechung bei den Gerichten oft keine Bedeutung haben. So werden Urteile »im Einzelfall« mal eben relativiert, oder auf den Fall als nicht zutreffend erwogen, oder einfach gänzlich ignoriert. An dieser Stelle schliesst sich dann auch der Kreis mit einem konstruierten Vorwurf, der dann von allen beteiligten Gerichten bestätigt und über alle Instanzen schlicht abgenickt wird. Aus eigener Erfahrung kann ich dazu sagen, dass in schweizerischen Gerichtsverfahren der Unmittelbarkeitsgrundsatz der Beweiserhebung nur bedingt gilt, so dass Zeugenbeweise häufig anhand der Protokolle aus den Akten von den Gerichten als glaubhaft gewürdigt werden. Wie das ein Strafrichter feststellen kann, wenn der Strafrichter lediglich ein Protokoll gelesen hat, ist aus Sicht eines Strafverteidigers unerfindlich. Zumindest im Kanton Bern kommt dann noch hinzu, dass kategorisch jedwede Beweisanträge der Verteidigung von den Gerichten mit zum Teil absurden Begründungen abgelehnt werden. Ein Strafverteidiger ist da im innerstaatlichen Instanzenzug bei einem solchen unfairen Gerichtsverfahren chancenlos und ist bestenfalls eine Verurteilungsbegleitung des Beschuldigten, damit sich der Beschuldigte immerhin im Strafverfahren nicht alleine fühlt. An dieser Stelle ist auch die lange Verfahrensdauer von nunmehr sieben Jahren, wovon vier Jahre faktisch Stillstand war, als ein weiterer Verstoss gegen ein faires Verfahren gemäss Art. 6 EMRK aufgrund überlanger Verfahrensdauer zu qualifizieren. Wird hierbei noch berücksichtigt, dass sowohl das Haus von Herrn Dorin in Basel während der ganzen Zeit mit einer Grundbuchsperre blockiert ist und ein Geldbetrag von den Behörden beschlagnahmt wurde, lässt diese überlange Verfahrensdauer besonders fragwürdig erscheinen. Herr Dorin konnte den Verlust seines Hauses nur durch intensive Unterstützung seines Treuhänders erreichen, da auch die Bank über den Vorwurf informiert wurde und kurz davor war, die Hypothek zu kündigen. Im weiteren Verlauf des Strafverfahrens wurden zahlreiche Personen einvernommen, die während einer Observation des Hauses von Herrn Dorin ermittelt werden konnten. Obwohl bei keinem dieser Personen irgendwelche Drogen gefunden wurden, wurden einige Zeugen bei den Befragungen unter Druck gesetzt, Herrn Dorin mit Aussagen zu belasten, welche seitens der Ermittlungsbehörden den Personen vorgehalten wurden. Dies haben die Zeugen bestätigt, was den den Schluss zulässt, dass der Vorwurf aus politischen Gründen konstruiert wurde. Insbesondere wurden zahlreiche Dokumente zu journalistischen Arbeiten von Herrn Dorin und Daten auf Datenträgern zerstört. Auch richteten sich die staatsanwaltlichen Befragungen gegen einen Informanten von Herrn Dorin, der ihn mit Dokumenten versorgte, die Dorin in seinen politischen Publikationen verwendete. Der Quellenschutz der Presse wurde also unter dem Deckmantel eines Strafverfahrens auch gleich noch versucht auszuhebeln. So konnte während einer von mir begleiteten Einvernahme eines Zeugen in Erfahrung gebracht werden, dass seitens der Strafbehörden tatsächlich Druck ausgeübt wurde, um eine belastende Aussage gegen Herrn Dorin zu erhalten. Meine Prognose für das weitere Strafverfahren ist unter den beschriebenen Umständen nicht positiv. Ein Strafverteidiger, der überhaupt erst einmal bereit sein muss, für den Fall Dorin seine berufliche Karriere zu gefährden, läuft im Strafverfahren leer, da Beweisanträge und Verteidigungshandlungen von den Strafbehörden wie beschrieben sabotiert bzw. ignoriert werden. Auch ich kann das bestätigen, wie eine Eingabe an die Staatsanwaltschaft auf sofortige Einstellung des Strafverfahrens wegen nicht mehr behebbaren schwerwiegenden Verstössen gegen ein faires Verfahren im Sinne von Art. 6 EMRK der Zugang von der Staatsanwaltschaft viel zu spät bestätigt, aber bis heute inhaltlich nicht beantwortet wurde. Die Eingabe datiert auf den 30. Oktober 2019. Einen noch deutlicheren Beweis, dass das Strafverfahren keinesfalls fair geführt wird, gibt es wohl kaum. Wenn schon ein Verteidiger schlicht ignoriert wird, dann ist auch die restliche Verteidigung aussichtslos. Der Staat arbeitet im Ergebnis lediglich die Formalien ab, um am Ende ein vorgeblich rechtsstaatliches Urteil produziert zu haben, in welchem Herr Dorin mit all den Folgen verurteilt wird. Dies sei am Beispiel des weiteren Prozessverlaufs kurz zu erläutern. Der bereits erwähnte «notwendige Verteidiger“ Simon Berger glänzt durch Passivität. Das Strafgericht hat in üblicher Manier sämtliche von Herrn Dorin aufgerufenen Entlastungszeugen abgewiesen. Dies ist das nicht seltene Vorgehen in der schweizerischen Justiz, um so zu einer Verurteilung zu gelangen. Das widerspricht Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK, der dem Beschuldigten das Recht einräumt, unter den gleichen Bedingungen Entlastungszeugen zu benennen und Zeugen befragen zu können. An dieser Stelle schliesst sich der Kreis hinsichtlich der Zeugenbefragungen ohne anwaltlichen Beistand während der Untersuchungshaft. Des Weiteren wurde ein Wechsel des vorstehend bereits vorgestellten «notwendigen Verteidiger» wegen fehlendem Vertrauensverhältnis durch das Gericht logischerweise abgelehnt, da der «Verteidiger» das vollste Vertrauen des Gerichts geniesst. Ein Wechsel ist aus Sicht der zuständigen Verurteilungsinstanz nur dann sofort möglich, wenn es ein ‚Problemanwalt’ ist, der bei der systematischen Verurteilung von Beschuldigten nur stört. Darüber hinaus hat das Gericht im letzten Moment auch gleich noch von sich aus die Anklage abgeändert, um für eine Verurteilung die richtige Anklage zur Hand zur haben. In einem Rechtsstaat ist eine Abänderung der Anklage nur unter sehr begrenzten Ausnahmefällen möglich und dies nur dann, wenn es die Anklagebehörde, also die Staatsanwaltschaft, vornimmt. Wird eine Anklage indes von dem zuständigen Gericht abgeändert, dann schafft das Gericht bereits an dieser Stelle die Grundlage für eine Verurteilung, die ohne die Abänderung nicht möglich wäre. Damit verschwindet nicht nur die Trennung zwischen der Anklage und einem unabhängigem Gericht, sondern der Strafprozess wandelt sich zu einer willkürlichen Aufführung, indem Ankläger auch gleich der Richter ist. Nimmt man dies alles mit den abgelehnten Entlastungszeugen zusammen, wird dieses Bild bestätigt. Zwischenzeitlich wurden die angeblich als Bande organisierten Mitbeschuldigten teilweise einzeln beurteilt, was ebenfalls eine gegenseitige Befragung in einer Hauptverhandlung vereitelt hat. Auch wurden Arztzeugnisse von Herrn Dorin wegen Verhandlungsunfähigkeit nunmehr nachträglich und rückwirkend für ungültig erklärt, um Herrn Dorin als unentschuldigt der Verhandlung fern geblieben zu erklären. Die Folge hieraus ist, dass beim nächsten Termin unter Abwesenheit von Herrn Dorin und Anwesenheit des «notwendigen Verteidigers» ohne Vollmacht von Herrn Dorin, sowie unter Ablehnung sämtlicher Entlastungszeugen über die seitens des Gerichts abgeänderte Anklage verhandelt werden kann. Der Ausgang dieser Verhandlung steht wohl heute schon fest. Dieses «Strafverfahren» lässt sich anders ausgedrückt nicht mehr auf juristischem Wege innerhalb der Schweiz klären, sondern kann höchstens durch eine öffentliche Berichterstattung und durch eine Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte dereinst gelöst werden. Allerdings sind Verfahren vor dem Gerichtshof langwierig und erstrecken sich über Jahre. In der Zwischenzeit wäre Herr Dorin rechtskräftig »verurteilt« und würde in von heute an gerechnet vielleicht weiteren zehn Jahren Gerechtigkeit erfahren. Dass bei einer solch langen Zeit die Karriere und die Existenz von Herrn Dorin ebenfalls zerstört wäre, bedarf keiner weiteren Ausführungen. 

Oliver Lücke, September 2022 

Oliver Lücke hat in Frankfurt am Main und in Bern studiert und erlangte im Oktober 2013 das bernische Anwaltspatent. Sein LL.M. wurde ihm von der Universität Trier im Jahre 2021 verliehen. Von 2014 bis 2021 war er in der Schweiz als Rechtsanwalt selbstständig tätig und lebt seit Oktober 2021 im Großherzogtum Luxemburg.

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