Basel/Münchenstein. Für einen nicht vorbestraften Pädagogen, der im Internet seine
Entlassung beschrieb und die Behörden, darunter den damaligen
Erziehungsdirektor Christoph Eymann, mit harschen Worten angriff, war es
letztlich eine drakonische Strafe: Lehrer H. wurde von Richter Lucius Hagemann
in erster Instanz zu zwei Jahren Gefängnis verdonnert, davon 90 Tage
Sicherheitshaft. Elf Jahre nach dieser Entlassung beschäftigt der Fall von
Lehrer H. die Justiz über die Kantonsgrenzen hinaus.
Zur Bewältigung von zwölf Anzeigen der Basler Staatsanwältin Eva
Eichenberger und des Basler Strafrichters Lucius Hagemann gegen den mutmasslich
weiterhin bloggenden Lehrer H. wurde Esther Omlin aus dem Kanton Obwalden als
ausserordentliche Staatsanwältin eingesetzt.
Ausserhalb des Kantons Basel-Stadt weht aber ein anderer Wind,
und es kommt knüppelhart gegen Staatsanwältin Eichenberger und Richter
Hagemann: Ihre sämtlichen Strafanzeigen hat Omlin eingestellt oder gar nicht
erst zur Hand genommen. Es sei nicht erwiesen, dass es sich um Verleumdungen
handle, diese sollten erst einmal bewiesen werden. Umgekehrt werden die
Anzeigen von Lehrer H. wegen Amtsmissbrauchs weiterverfolgt. Für die Basler
Juristen muss dies ein Schlag in die Magengrube sein.
Ausgerechnet null und nichts gegen H., den die beiden Basler
Juristen wegen «planmässiger Verleumdung» vor allem von Regierungsrat Eymann
für mindestens zwei Jahre hinter Schloss und Riegel sehen wollten. Darüber
hinaus beschrieb Staatsanwältin Eichenberger den Lehrer als Amokläufer.
Hagemann setzte ihn vorbehaltlos in Sicherheitshaft für 90 Tage. Nun, dieses
erstinstanzliche Urteil war selbst für das Basler Appellationsgericht zu
unverhältnismässig. Es hat das Verdikt vor rund einem Monat massiv nach unten
korrigiert. Es verblieb bei bedingten 15 Monaten Gefängnis; Lehrer H. musste
nach 20 Tagen Gefängnis auf freien Fuss gesetzt werden.
Auf diese Nichtanhandnahmen und Einstellungsbeschlüsse haben
Eichenberger und Hagemann je eine Beschwerde eingereicht und machen nun
gemeinsame Sache: Die Betupften kritisieren, dass die Staatsanwältin aus den
Alpen das Fairnessgebot verletzt habe, weil sie darüber hinaus die Gegen-Strafanzeigen
des Lehrers H. weiterverfolge; das Verfahren gegen die Justizbeamten – soweit
es nicht wegen der Beschwerde auf Eis gelegt ist – läuft also weiter. Das sei
willkürlich, argumentieren die beiden Basler Juristen, nachdem sich das Blatt
gegen sie gewendet hat. Pikant an der Beschwerde von Lucius Hagemann ist, dass
nun Richter Hagemann seine private Eingabe auf offiziellem Briefpapier der
Staatsanwaltschaft eingereicht hat: Der Richter firmiert also mit der Adresse
von Eva Eichenberger und dem Briefkopf der Staatsanwaltschaft. Ganze Passagen
sind in beiden Beschwerden identisch.
Die Frage, ob Eva Eichenberger aufgrund des Briefkopfs und der
Unterschrift mit der Person Richter Hagemann einen neuen Mitarbeiter
beschäftigt, beantwortet die Staatsanwaltschaft nicht. Sprecher Peter Gill
verweist auf Esther Omlin und reagiert nicht mehr auf den Hinweis, dass hier
die Basler Staatsanwaltschaft zu einer Stellungnahme angehalten sei. Zu
peinlich wäre vermutlich seine Antwort für diese dokumentierte Zusammenarbeit
zweier Institutionen, zwischen denen ein Eiserner Vorhang bestehen müsste.
Richter Hagemann sagt knapp zur Tatsache, dass seine Beschwerde auf Staatsanwaltschaftspapier
geschrieben ist: «Ich habe ihre (Eva Eichenbergers) Formulierungen weitgehend
übernommen und dabei irrtümlicherweise auch den Absender.» Er hat ihr also
abgeschrieben. Für den Verteidiger von Lehrer H., Christian Kummerer, ist diese
kuriose Eingabe ans Appellationsgericht ein weiteres Indiz dafür, dass die
Staatsanwaltschaft und das Strafgericht schon lange gemeinsam gegen Lehrer H.
vorgegangen sind. «Beweisen kann man das nicht», sagt er. Aber das Vorgehen und
das unverhältnismässige Urteil der Justizbehörden gegen Lehrer H. sprächen
Bände – besonders nachdem sich alt Regierungsrat Christoph Eymann von Lehrer H.
im Internet angegriffen sah.
Hintergrund dieses Gerichtsfalls ist letztlich die Entlassung
des Lehrers vor elf Jahren aus dem Basler Erziehungsdepartement. Es gab in den
Jahren 2005 und 2006 Eltern, die mit dem Pädagogen nicht einverstanden, jedoch
auch andere, die geradezu Fan von H. waren. Sicher ist, dass Lehrer H. sich gegen
die Kündigung wehrte und das Vorgehen der Schulleitung im Internet im Blog
"staatsmobbing.twoday.net" öffentlich machte. Und gewiss ist auch:
Lehrer H. ist kein angenehmer Zeitgenosse. Wer nicht seiner Meinung ist, wird
schnell belehrt – mitunter mit Verschwörungserklärungen wie: das World Trade
Center in New York sei am 11. September 2001 gesprengt worden.
Zeitgleich mit der Veröffentlichung des Arbeitsstreits im
Internet sah sich damals Regierungsrat Christoph Eymann im Internet mit Blogs
konfrontiert, die die Rolle seiner damaligen Frau in der Cosco-Affäre
thematisierten und ihn als grossen Profiteur dieser Betrugsaffäre hinstellten.
Gegen die Veröffentlichung und Interpretation von solchen Dokumenten wehrte
sich Eymann mit Strafanzeigen. Aufgrund der Ähnlichkeit dieser «Eymann-Blogs»
und jenem Blog von Lehrer H. schossen sich Justiz und Beamten auf Lehrer H.
ein. Über den Vorwurf der Verleumdung hinaus versuchte man, ihn als
selbstmordgefährdet und potenziellen Amokläufer hinzustellen. Es ging so: Man
bot den Lehrer zur amtsärztlichen Untersuchung auf, nachdem er angeblich
Drohungen ausgestossen habe. Als Lehrer H., gestützt auf das Personalrecht,
sich weigerte, zum Amtsarzt zu gehen, ersuchte der damalige Personalleiter
Thomas Baerlocher vom Erziehungsdepartement die Gemeinde Münchenstein um
«Ergreifen von Massnahmen». Seine Anschuldigungen im Brief waren nicht
weiter belegt. Doch im Baselbiet bot man die Sondereinheit Barrakuda auf:
Zuerst wurde ein Notfallpsychiater entsandt, der den Lehrer H. in die
Psychiatrie zwangseinweisen wollte. Ein Richter aus dem Baselbiet stoppte das
behördliche Denunziantentum aus dem Nachbarkanton; der Psychiater musste unverrichteter
Dinge abziehen. Dann aber umstellte die Sondereinheit das Haus des Lehrers und
nahm ihn zwei Tage in Polizeigewahrsam. Der Nachbar von Lehrer H. in
Münchenstein erinnert sich noch genau an diesen Tag: «Ich sollte mein Haus
nicht mehr betreten dürfen, weil die Behörden ihn als gefährlich einstuften.
Dabei kann der keiner Fliege etwas zuleide tun.» Er habe sich durch die
Absperrung gedrängt und sein Haus aufgesucht.
Ein Gutachten, das der Lehrer von einem Basler Psychiater über
sich erstellen liess, anerkannte die Justiz einfach ab. Umgekehrt aber blähte
Staatsanwältin Eichenberger den Fall Lehrer H. mit einer Monsteranklage auf: 354
Seiten umfasste die Schrift. Zum Vergleich: Dieter Behrings Anklageschrift, bei
der es um mutmasslich 2000 Geschädigte und eine Summe von 800 Millionen Franken
ging, umfasste nur 80 Seiten. «Eine solche Anklageschrift, wie sie Eichenberger
beim Lehrer H. einreichte, ist im Rahmen einer normalen Gerichtsverhandlung gar
nicht zu bewältigen», sagt der Verteidiger des Lehrers. Doch Richter Hagemann
hat diese Anklage angenommen und folgte summarisch und weitgehend der Argumentation der Staatsanwältin. Im Basler
Justizapparat spannen ein Richter und die Staatsanwältin bei Bedarf zusammen.
Ausserhalb des Kantons wird der Fall H. komplett andersbeurteilt. Die externe Staatsanwältin kommt zum Schluss, dass
die vielen Blogs, insbesondere Eymann betreffend, nicht Lehrer H. angelastet
werden können: «Trotz intensiver Bemühungen der Basler Behörden konnte ein
derartiger Verdacht nicht erhärtet werden, zumal diverse andere Personen sich
für die betreffenden Blogs für verantwortlich erklärten. Es ist davon
auszugehen, dass diese Blogs und Accounts nicht von Lehrer H. stammen.» Die
Anzeigen Eichenbergers und Hagemanns seien «nicht genügend substantiiert, inwiefern
es sich hier um Ehrverletzung handelt». Hinzu komme, dass Lehrer H. nicht
Aussagen und Bemerkungen «wider besseres Wissen gemacht hat, er bestätigte,
dass das, was er gepostet oder verlinkt habe, der Wahrheit entspreche». Ob dies
die Wahrheit sei, könne derzeit nicht beurteilt werden. Und dann muss die
Staatsanwältin aus Obwalden die Basler Juristen sogar über die Grundrechte
aufklären: Einer Person wie Lehrer H. könne nicht «falsche Anschuldigung und
Nötigungsversuch vorgeworfen werden, wenn dieser mit einer Anzeige wegen Amtsmissbrauchs
reagiert, da es sich lediglich um die Wahrnehmung von Rechten handelt, welche
von der schweizerischen Rechtsordnung allen Menschen garantiert werden». Inzwischen
ist es ein Justizfall mit umgekehrten Vorzeichen: Zuerst jammerte Lehrer H., er
werde unfair und willkürlich behandelt, jetzt sind es Eichenberger und
Hagemann.
Der heutige BaZ-Artikel von Daniel Wahl trifft den Nagel auf den Kopf. In Basel-Stadt werden Menschenrechte offensichtlich zu "planmässiger Verleumdung", "falscher Anschuldigung" und "Irreführung der Rechtspflege" verdreht und mit Gefängnis bestraft. Im Kanton Obwalden hingegen sind sämtliche Strafanzeigen gegen Lehrer H. eingestellt worden. Dr. Esther Omlin hat sich von den beiden Staatsfunktionären Eichenberger und Hagemann nicht beeindrucken lassen und die Strafverfahren gegen die beiden Funktionäre aus dem Basler Filz nicht eingestellt. Zur Vorladung wollten die beiden allerdings nicht erscheinen. Mit zwei Beschwerden ans Basler Appellationsgericht versuchen Eichenberger und Hagemann zur Zeit das Verfahren in die Länge zu ziehen. Es ist zu hoffen, dass Dr. Esther Omlin ihre Ermittlungen auch ohne Befragung der beiden Täter fortsetzt und die Angelegenheit zur Anklage bringt.
Der heutige BaZ-Artikel von Daniel Wahl trifft den Nagel auf den Kopf. In Basel-Stadt werden Menschenrechte offensichtlich zu "planmässiger Verleumdung", "falscher Anschuldigung" und "Irreführung der Rechtspflege" verdreht und mit Gefängnis bestraft. Im Kanton Obwalden hingegen sind sämtliche Strafanzeigen gegen Lehrer H. eingestellt worden. Dr. Esther Omlin hat sich von den beiden Staatsfunktionären Eichenberger und Hagemann nicht beeindrucken lassen und die Strafverfahren gegen die beiden Funktionäre aus dem Basler Filz nicht eingestellt. Zur Vorladung wollten die beiden allerdings nicht erscheinen. Mit zwei Beschwerden ans Basler Appellationsgericht versuchen Eichenberger und Hagemann zur Zeit das Verfahren in die Länge zu ziehen. Es ist zu hoffen, dass Dr. Esther Omlin ihre Ermittlungen auch ohne Befragung der beiden Täter fortsetzt und die Angelegenheit zur Anklage bringt.
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