Mittwoch, 29. März 2017

Der BaZ-Artikel zum Thema "Lehrer H."



Von Daniel Wahl

Basel/Münchenstein. Für einen nicht vorbestraften Pädagogen, der im Internet seine Entlassung beschrieb und die Behörden, darunter den damaligen Erziehungsdirektor Christoph Eymann, mit harschen Worten angriff, war es letztlich eine drakonische Strafe: Lehrer H. wurde von Richter Lucius Hagemann in erster Instanz zu zwei Jahren Gefängnis verdonnert, davon 90 Tage Sicherheitshaft. Elf Jahre nach dieser Entlassung beschäftigt der Fall von Lehrer H. die Justiz über die Kantonsgrenzen hinaus.

Zur Bewältigung von zwölf Anzeigen der Basler Staatsanwältin Eva Eichenberger und des Basler Strafrichters Lucius Hagemann gegen den mutmasslich weiterhin bloggenden Lehrer H. wurde Esther Omlin aus dem Kanton Obwalden als ausserordentliche Staatsanwältin eingesetzt.

Ausserhalb des Kantons Basel-Stadt weht aber ein anderer Wind, und es kommt knüppelhart gegen Staatsanwältin Eichenberger und Richter Hagemann: Ihre sämtlichen Strafanzeigen hat Omlin eingestellt oder gar nicht erst zur Hand genommen. Es sei nicht erwiesen, dass es sich um Verleumdungen handle, diese sollten erst einmal bewiesen werden. Umgekehrt werden die Anzeigen von Lehrer H. wegen Amtsmissbrauchs weiterverfolgt. Für die Basler Juristen muss dies ein Schlag in die Magengrube sein.

Ausgerechnet null und nichts gegen H., den die beiden Basler Juristen wegen «planmässiger Verleumdung» vor allem von Regierungsrat Eymann für mindestens zwei Jahre hinter Schloss und Riegel sehen wollten. Darüber hinaus beschrieb Staatsanwältin Eichenberger den Lehrer als Amokläufer. Hagemann setzte ihn vorbehaltlos in Sicherheitshaft für 90 Tage. Nun, dieses erstinstanzliche Urteil war selbst für das Basler Appellationsgericht zu unverhältnismässig. Es hat das Verdikt vor rund einem Monat massiv nach unten korrigiert. Es verblieb bei bedingten 15 Monaten Gefängnis; Lehrer H. musste nach 20 Tagen Gefängnis auf freien Fuss gesetzt werden.

Auf diese Nichtanhandnahmen und Einstellungsbeschlüsse haben Eichenberger und Hagemann je eine Beschwerde eingereicht und machen nun gemeinsame Sache: Die Betupften kritisieren, dass die Staatsanwältin aus den Alpen das Fairnessgebot verletzt habe, weil sie darüber hinaus die Gegen-Strafanzeigen des Lehrers H. weiterverfolge; das Verfahren gegen die Justizbeamten – soweit es nicht wegen der Beschwerde auf Eis gelegt ist – läuft also weiter. Das sei willkürlich, argumentieren die beiden Basler Juristen, nachdem sich das Blatt gegen sie gewendet hat. Pikant an der Beschwerde von Lucius Hagemann ist, dass nun Richter Hagemann seine private Eingabe auf offiziellem Briefpapier der Staatsanwaltschaft eingereicht hat: Der Richter firmiert also mit der Adresse von Eva Eichenberger und dem Briefkopf der Staatsanwaltschaft. Ganze Passagen sind in beiden Beschwerden identisch.

Die Frage, ob Eva Eichenberger aufgrund des Briefkopfs und der Unterschrift mit der Person Richter Hagemann einen neuen Mitarbeiter beschäftigt, beantwortet die Staatsanwaltschaft nicht. Sprecher Peter Gill verweist auf Esther Omlin und reagiert nicht mehr auf den Hinweis, dass hier die Basler Staatsanwaltschaft zu einer Stellungnahme angehalten sei. Zu peinlich wäre vermutlich seine Antwort für diese dokumentierte Zusammenarbeit zweier Institutionen, zwischen denen ein Eiserner Vorhang bestehen müsste. Richter Hagemann sagt knapp zur Tatsache, dass seine Beschwerde auf Staatsanwaltschaftspapier geschrieben ist: «Ich habe ihre (Eva Eichenbergers) Formulierungen weitgehend übernommen und dabei irrtümlicherweise auch den Absender.» Er hat ihr also abgeschrieben. Für den Verteidiger von Lehrer H., Christian Kummerer, ist diese kuriose Eingabe ans Appellationsgericht ein weiteres Indiz dafür, dass die Staatsanwaltschaft und das Strafgericht schon lange gemeinsam gegen Lehrer H. vorgegangen sind. «Beweisen kann man das nicht», sagt er. Aber das Vorgehen und das unverhältnismässige Urteil der Justizbehörden gegen Lehrer H. sprächen Bände – besonders nachdem sich alt Regierungsrat Christoph Eymann von Lehrer H. im Internet angegriffen sah.

Hintergrund dieses Gerichtsfalls ist letztlich die Entlassung des Lehrers vor elf Jahren aus dem Basler Erziehungsdepartement. Es gab in den Jahren 2005 und 2006 Eltern, die mit dem Pädagogen nicht einverstanden, jedoch auch andere, die geradezu Fan von H. waren. Sicher ist, dass Lehrer H. sich gegen die Kündigung wehrte und das Vorgehen der Schulleitung im Internet im Blog "staatsmobbing.twoday.net" öffentlich machte. Und gewiss ist auch: Lehrer H. ist kein angenehmer Zeitgenosse. Wer nicht seiner Meinung ist, wird schnell belehrt – mitunter mit Verschwörungserklärungen wie: das World Trade Center in New York sei am 11. September 2001 gesprengt worden.

Zeitgleich mit der Veröffentlichung des Arbeitsstreits im Internet sah sich damals Regierungsrat Christoph Eymann im Internet mit Blogs konfrontiert, die die Rolle seiner damaligen Frau in der Cosco-Affäre thematisierten und ihn als grossen Profiteur dieser Betrugsaffäre hinstellten. Gegen die Veröffentlichung und Interpretation von solchen Dokumenten wehrte sich Eymann mit Strafanzeigen. Aufgrund der Ähnlichkeit dieser «Eymann-Blogs» und jenem Blog von Lehrer H. schossen sich Justiz und Beamten auf Lehrer H. ein. Über den Vorwurf der Verleumdung hinaus versuchte man, ihn als selbstmordgefährdet und potenziellen Amokläufer hinzustellen. Es ging so: Man bot den Lehrer zur amtsärztlichen Untersuchung auf, nachdem er angeblich Drohungen ausgestossen habe. Als Lehrer H., gestützt auf das Personalrecht, sich weigerte, zum Amtsarzt zu gehen, ersuchte der damalige Personalleiter Thomas Baerlocher vom Erziehungsdepartement die Gemeinde Münchenstein um «Ergreifen von Massnahmen». Seine Anschuldigungen im Brief waren nicht weiter belegt. Doch im Baselbiet bot man die Sondereinheit Barrakuda auf: Zuerst wurde ein Notfallpsychiater entsandt, der den Lehrer H. in die Psychiatrie zwangseinweisen wollte. Ein Richter aus dem Baselbiet stoppte das behördliche Denunziantentum aus dem Nachbarkanton; der Psychiater musste unverrichteter Dinge abziehen. Dann aber umstellte die Sondereinheit das Haus des Lehrers und nahm ihn zwei Tage in Polizeigewahrsam. Der Nachbar von Lehrer H. in Münchenstein erinnert sich noch genau an diesen Tag: «Ich sollte mein Haus nicht mehr betreten dürfen, weil die Behörden ihn als gefährlich einstuften. Dabei kann der keiner Fliege etwas zuleide tun.» Er habe sich durch die Absperrung gedrängt und sein Haus aufgesucht.

Ein Gutachten, das der Lehrer von einem Basler Psychiater über sich erstellen liess, anerkannte die Justiz einfach ab. Umgekehrt aber blähte Staatsanwältin Eichenberger den Fall Lehrer H. mit einer Monsteranklage auf: 354 Seiten umfasste die Schrift. Zum Vergleich: Dieter Behrings Anklageschrift, bei der es um mutmasslich 2000 Geschädigte und eine Summe von 800 Millionen Franken ging, umfasste nur 80 Seiten. «Eine solche Anklageschrift, wie sie Eichenberger beim Lehrer H. einreichte, ist im Rahmen einer normalen Gerichtsverhandlung gar nicht zu bewältigen», sagt der Verteidiger des Lehrers. Doch Richter Hagemann hat diese Anklage angenommen und folgte summarisch und weitgehend der Argumentation der Staatsanwältin. Im Basler Justizapparat spannen ein Richter und die Staatsanwältin bei Bedarf zusammen. Ausserhalb des Kantons wird der Fall H. komplett andersbeurteilt. Die externe Staatsanwältin kommt zum Schluss, dass die vielen Blogs, insbesondere Eymann betreffend, nicht Lehrer H. angelastet werden können: «Trotz intensiver Bemühungen der Basler Behörden konnte ein derartiger Verdacht nicht erhärtet werden, zumal diverse andere Personen sich für die betreffenden Blogs für verantwortlich erklärten. Es ist davon auszugehen, dass diese Blogs und Accounts nicht von Lehrer H. stammen.» Die Anzeigen Eichenbergers und Hagemanns seien «nicht genügend substantiiert, inwiefern es sich hier um Ehrverletzung handelt». Hinzu komme, dass Lehrer H. nicht Aussagen und Bemerkungen «wider besseres Wissen gemacht hat, er bestätigte, dass das, was er gepostet oder verlinkt habe, der Wahrheit entspreche». Ob dies die Wahrheit sei, könne derzeit nicht beurteilt werden. Und dann muss die Staatsanwältin aus Obwalden die Basler Juristen sogar über die Grundrechte aufklären: Einer Person wie Lehrer H. könne nicht «falsche Anschuldigung und Nötigungsversuch vorgeworfen werden, wenn dieser mit einer Anzeige wegen Amtsmissbrauchs reagiert, da es sich lediglich um die Wahrnehmung von Rechten handelt, welche von der schweizerischen Rechtsordnung allen Menschen garantiert werden». Inzwischen ist es ein Justizfall mit umgekehrten Vorzeichen: Zuerst jammerte Lehrer H., er werde unfair und willkürlich behandelt, jetzt sind es Eichenberger und Hagemann.


Der heutige BaZ-Artikel von Daniel Wahl trifft den Nagel auf den Kopf. In Basel-Stadt werden Menschenrechte offensichtlich zu "planmässiger Verleumdung", "falscher Anschuldigung" und "Irreführung der Rechtspflege" verdreht und mit Gefängnis bestraft. Im Kanton Obwalden hingegen sind sämtliche Strafanzeigen gegen Lehrer H. eingestellt worden. Dr. Esther Omlin hat sich von den beiden Staatsfunktionären Eichenberger und Hagemann nicht beeindrucken lassen und die Strafverfahren gegen die beiden Funktionäre aus dem Basler Filz nicht eingestellt. Zur Vorladung wollten die beiden allerdings nicht erscheinen. Mit zwei Beschwerden ans Basler Appellationsgericht versuchen Eichenberger und Hagemann zur Zeit das Verfahren in die Länge zu ziehen. Es ist zu hoffen, dass Dr. Esther Omlin ihre Ermittlungen auch ohne Befragung der beiden Täter fortsetzt und die Angelegenheit zur Anklage bringt. 

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